Filterblase

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Definition

Der Begriff der Filterblase (engl. filter bubble) geht auf den US-amerikanischen Internetaktivisten Eli Pariser und sein 2011 erschienenes Buch „The Filter Bubble: What the Internet is Hiding from You“ (auf Deutsch: „Filterblase: Wie wir im Internet entmündigt werden“) zurück.[1] Filterblasen sind ein Phänomen des Internetzeitalters und drücken sich laut Pariser darin aus, dass im Internet „A unique Universe of information for each of us“ (Ein einzigartiges Universum an Informationen für jeden von uns) entsteht. [2] Filterblasen können dabei als müssen dabei nicht unbedingt als Kontinuum verstehen: Entscheidend ist nicht ob, sondern bis zu welchem Grad die*der Einzelne in einer Filterblase steckt.[3]

Entstehung von Filterblasen

Laut Pariser entstehen Filterblasen im Internet dadurch, dass Suchmaschinen, die im Internet als Vermittler von Inhalten zwischen den Nutzer*innen stehen, Inhalte für die*den Einzelnen vorsortieren und filtern. Für die gegenwärtige Diskussion des Phänomens Filterblase ist auch relevant, dass diese Art der Filterung auch auf Social Media Plattformen stattfindet. Diese Filter in Social Software dienen der Personalisierung und damit der Anpassung von Social Software an die Vorlieben individueller Nutzer*innen. Algorhytmen analysieren auf Basis von Profilangaben und bisherigem Nutzungsverhalten, welche Inhalte die einzelnen Nutzer*innen besonders interessieren und sorgen dafür, dass solche und ähnliche Inhalte in Zukunft verstärkt in ihrem Feed angezeigt werden. Zudem erhalten sie Vorschläge für entsprechende neue Kanäle zum Abonnieren oder weitere Produkte zum Kauf. Diese Form der Personalisierung beruht zunächst auf dem aktivem Verhalten der Nutzer*innen, wie dem Suchen eines bestimmten Begriffs, dem Liken eines Facebook-Posts, dem Merken eines bestimmten Produkts oder dem Abonnieren eines Twitter-/ oder Youtube-Kanals. Sie verselbständigt sich, da anhand der bisher bekannten Präferenzen der Nutzer*innen mit Hilfe der Algorithmen darauf geschlossen wird, welche Inhalte diese zukünftig konsumieren möchten. Um die*den Einzelnen baut sich so eine Filterblase auf, die um so undurchlässiger wird, je mehr ähnliche Inhalte sie*er anklickt. Einige Plattformen nutzen für die algorhitmische Personalisierung ihrer Social Software zusätzlich Daten aus dem Netzwerk der Nutzer*innen, so genannte soziale Filter. Der Verwendung solcher sozialen Filter liegt die Annahme zu Grunde, dass im Internet miteinander vernetzte Menschen ähnliche Vorlieben haben (so genannte Homophilie). (4) Pariser glaubte, dass Nutzer*innen in eine Filterblase geraten und bleiben dort gefangen bleiben können, ohne es zu bemerken. Denn dass die Algorithmen Annahmen über sie treffen und welche das konkret sind, ist ihnen nicht direkt transparent oder möglicherweise auch gar nicht bekannt. (5)

Ziel dieser Personalisierung ist es Nutzer*innen nach dem Einloggen möglichst lange auf Plattform zu halten. Dadurch hinterlassen sie viele weitere digitale Nutzungsdaten, was für die Plattformen letztendlich höhere Einnahmen bedeutet, z.B. dank personalisierter Werbung. (6)

Filterblasen und Echokammer-Effekte

Im Zusammenhang mit Filterblasen steht der so genannte Echokammer-Effekt, der manchmal fälschlich auch synonym für Filterblasen verwendet wird. Echokammern (engl. echo chamber) sind Diskussionsräume im Social Web, in denen einer*m Nutzer*in ihre*seine Meinung als Echo von den anderen Insassen zurückgeworfen wird. (7) Eine Echokammer ist somit ein „metaphorischer Raum, in dem Aussagen verstärkt und Störgeräusche, etwa anders lautende Meinungen, geschluckt werden“. (8) Nutzer*innen in Echokammern werden permanent in ihren Ansichten einseitig bestärkt, weil sie ausschließlich mit Gleichgesinnten im Austausch sind. (9) Echokammern und Filterblasen im Social Web bedingen in der Praxis gegenseitig, wenn in den sozial gefilterten Newsfeeds der Insassen einer solchen Echokammer vorwiegend ähnliche Inhalte auftauchen. (10) Echokammern existieren aber auch in der analogen Welt, wo sich Menschen schon immer mit Gleichgesinnten zusammentun. Mit dem Social Web sind heute allerdings ganz neue Möglichkeiten entstanden, um über weite räumliche Distanzen hinweg Gesprächspartner*innen mit ähnlichen Einstellungen und Vorlieben zu finden. (11)

Mögliche Gefahren von Filterblasen und Echokammern

Mögliche Gefahren von Echokammern und Filterblasen werden vor allem im Zusammenhang damit diskutiert, dass sich Fake News über Soziale Medien deutlich schneller verbreiten als reale Nachrichten. (10) Befürchtet wird, dass Nutzer*innen in Filterblasen und digitalen Echokammern durch das Konsumieren homogener Inhalte und die permanente Bestätigung aus ihrem digitalen sozialen Umfeld ein einseitiges Weltbild entwickeln. Vertreter*innen radikaler Minderheitsmeinungen können sich so nicht nur weiter zu radikalisieren, sondern auch fälschlicherweise den Eindruck gewinnen, eine Mehrheitsmeinung zu vertreten. Jenseits von politischem oder religiösem Extremismus kann es weitere Gefahren für die Demokratie und das gesellschaftliche Miteinander geben, wenn Menschen sich ihre Meinung nur noch in abgeschlossenen Filterblasen und Echokammern bilden. Die Wahrnehmungen und Einstellungen unterschiedlicher Gruppen in der Gesellschaft entfernen sich dann immer weiter voneinander. Mit zunehmender Polarisierung droht eine Spaltung in unversöhnliche Lager, die nicht mehr zu einem demokratischen Kompromiss fähig sind. (12)

Bisherige Erkenntnisse zur Verbreitung und Bedeutung von Filterblasen und Echokammern

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sind Filterblasen deutlich weniger verbreitet und bedeutend, als von Pariser angenommen. Für Suchmaschinen wie Google zeigten Simulationsstudien mit vorher trainierten „Testaccounts“ mehrheitlich kaum Filterblaseneffekte. Keine oder nur geringe Unterschiede bei den Suchergebnissen unterschiedlicher Nutzer*innen aus, die mit den gleichen Begriffen nach Nachrichten oder Informationen zu prominenten Politiker*innen suchten, zeigte eine Studie auf Basis des Datenspendeprojekts vor der Bundestagswahl 2017. Ausgewertet wurden dafür die Daten, die Nutzer*innen über ihre Suchen und Suchergebnisse via Plug-in im Browser gespendet hatten. Insgesamt sind also eher andere Faktoren, wie der Grad der Suchmaschinenoptimierung einer Internetseite, entscheidend für das Ranking in Suchmaschinen. Zunehmend in den Fokus der Diskussion um einseitige Informationsaufnahme im Social Web ist die Auswahl der Inhalten durch die Nutzer*innen selbst gerückt. Die Nutzung von über Social Software bereitgestellten Inhalten ist demnach nicht nur durch algorhitmische Filterung, sondern eigene (bewusste oder unbewusste) Entscheidungen bedingt. So zeigte eine Untersuchung von Facebooknutzer*innen in den USA, dass gezielt eher die Inhalte im Newsfeed angeklickt werden, in dem eigenen Weltbild entsprechen. Abgeglichen wurde das Klickverhalten der Nutzer*innen mit ihren Angaben zu ihrer politischen Einstellung (liberal oder konservativ) im eigenen Profil. (13) Auch wird die Annahme weit verbreiteter meinungshomogener Netzwerke im Social Web dahingehend in Frage gestellt, als dass die Vernetzung dort viel weitreichender als in der analogen Welt ist. Basierend eher auf losen Verbindungen und oberflächlichen Beziehungen (so genannten weak ties), steigt die Wahrscheinlichkeit, im eigenen Netzwerk Personen mit heterogenen Einstellungen zu unterschiedlichen Lebensbereichen und gesellschaftspolitischen Themen zu haben. Damit sind Nutzer*innen im Social Web potentiell sogar einer größeren Meinungsvielfalt ausgesetzt als in der analogen Welt. (14)

Dennoch befürchten Forscher*innen, dass Filterblasen und Echokammern für die Radikalisierung von Personen eine Rolle spielen, die bereits mit der Neigung zu extremistischen Einstellungen ins Social Web gekommen sind. Hinzukommt, dass Menschen auf Plattformen im Social Web intensiver auf emotionalisierende Inhalte und extreme Äußerungen reagieren. Durch ihre Reaktionen bringen sie diese - gewollt oder ungewollt - algorhitmisch in den News-Feeds der anderen nach oben. (15) Auch wenn nach Desinformation durch Filterblasen im Social Web nach aktuellem Forschungsstand im Gegensatz zu Parisers ursprünglicher kein Massenphänomen ist, im Social Web ist die Entstehung von Filterblasen und Echokammern im Zusammenspiel den Nutzer*innenentscheidung bei der Vernetzung und der Nutzung von Inhalten prinzipiell möglich. Jedoch gibt dort auch einzelne Angebote, die Filterblasen- und Echokammereffekten bewusst entgegenwirken sollen: Über die Plattform "Diskutier mit mir" können sich Nutzer*innen annonym mit Menschen verbinden, die eine andere politische Meinung zu einem bestimmten Thema haben. (16)


Einzelnachweise

(1) Friedrich, Greta, Was ist eine Filterblase. https://mads.de/was-ist-eine-filterblase [Zugriff 25.02.2021]

(2) Geissert, Clemens (2019): Filterblasen und Echokammern im Social Web. https://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/Texte/Geissert-19.pdf [Zugriff 25.02.2021], S.4

(3) Stark, Birgit/ Magin, Melanie/ Jürgens, Pascal (2019): Maßlos überschätzt. Ein Überblick über theoretische Annahmen und empirische Befunde zu Filterblasen und Echokammern. https://www.researchgate.net/profile/Melanie-Magin/publication/337316528_Masslos_uberschatzt_Ein_Uberblick_uber_theoretische_Annahmen_und_empirische_Befunde_zu_Filterblasen_und_Echokammern/links/5dd16faa4585156b351bb30a/Masslos-ueberschaetzt-Ein-Ueberblick-ueber-theoretische-Annahmen-und-empirische-Befunde-zu-Filterblasen-und-Echokammern.pdf [Zugriff 25.02.2021], S. 10f

(4) Stark, Birgit/ Magin, Melanie/ Jürgens, Pascal (2019): Maßlos überschätzt. Ein Überblick über theoretische Annahmen und empirische Befunde zu Filterblasen und Echokammern. https://www.researchgate.net/profile/Melanie-Magin/publication/337316528_Masslos_uberschatzt_Ein_Uberblick_uber_theoretische_Annahmen_und_empirische_Befunde_zu_Filterblasen_und_Echokammern/links/5dd16faa4585156b351bb30a/Masslos-ueberschaetzt-Ein-Ueberblick-ueber-theoretische-Annahmen-und-empirische-Befunde-zu-Filterblasen-und-Echokammern.pdf [Zugriff 25.02.2021], S. 2ff

(5) Geissert, Clemens (2019): Filterblasen und Echokammern im Social Web. https://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/Texte/Geissert-19.pdf [Zugriff 25.02.2021], S.10

(6) Montag, Christian (2018): Filterblasen: „Wie wirken sich Filterblasen unter Berücksichtigung von Persönlichkeit auf (politische) Einstellung aus?“ https://www.isdglobal.org/wp-content/uploads/2018/09/ISD-NetzDG-Report-German-FINAL-26.9.18.pdf#page=31 [Zugriff 25.02.2021] S. 33

(7) Stark, Birgit/ Magin, Melanie/ Jürgens, Pascal (2019): Maßlos überschätzt. Ein Überblick über theoretische Annahmen und empirische Befunde zu Filterblasen und Echokammern. https://www.researchgate.net/profile/Melanie-Magin/publication/337316528_Masslos_uberschatzt_Ein_Uberblick_uber_theoretische_Annahmen_und_empirische_Befunde_zu_Filterblasen_und_Echokammern/links/5dd16faa4585156b351bb30a/Masslos-ueberschaetzt-Ein-Ueberblick-ueber-theoretische-Annahmen-und-empirische-Befunde-zu-Filterblasen-und-Echokammern.pdf [Zugriff 25.02.2021], S. 3

(8) Haim, Mario: Echokammer. Journalistikon. das Wörterbuch der Journalistik. https://journalistikon.de/echokammer/ [Zugriff 25.02.2021]

(9) Stangl, Werner: Stichwort: 'Echokammer-Effekt'. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. https://lexikon.stangl.eu/30157/echokammer-effekt [Zugriff 25.02.2021]

(10) Geissert, Clemens (2019): Filterblasen und Echokammern im Social Web. https://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/Texte/Geissert-19.pdf [Zugriff 25.02.2021], S.6


(9) Montag, Christian (2018): Filterblasen: „Wie wirken sich Filterblasen unter Berücksichtigung von Persönlichkeit auf (politische) Einstellung aus?“ https://www.isdglobal.org/wp-content/uploads/2018/09/ISD-NetzDG-Report-German-FINAL-26.9.18.pdf#page=31 [Zugriff 25.02.2021] S. 31f

(11) Montag, Christian (2018): Filterblasen: „Wie wirken sich Filterblasen unter Berücksichtigung von Persönlichkeit auf (politische) Einstellung aus?“, in: https://www.isdglobal.org/wp-content/uploads/2018/09/ISD-NetzDG-Report-German-FINAL-26.9.18.pdf#page=31 S. 36

(12) Stark, Birgit/ Magin, Melanie/ Jürgens, Pascal (2019): Maßlos überschätzt. Ein Überblick über theoretische Annahmen und empirische Befunde zu Filterblasen und Echokammern. https://www.researchgate.net/profile/Melanie-Magin/publication/337316528_Masslos_uberschatzt_Ein_Uberblick_uber_theoretische_Annahmen_und_empirische_Befunde_zu_Filterblasen_und_Echokammern/links/5dd16faa4585156b351bb30a/Masslos-ueberschaetzt-Ein-Ueberblick-ueber-theoretische-Annahmen-und-empirische-Befunde-zu-Filterblasen-und-Echokammern.pdf [Zugriff 25.02.2021], S. 4f

(13) Stark, Birgit/ Magin, Melanie/ Jürgens, Pascal (2019): Maßlos überschätzt. Ein Überblick über theoretische Annahmen und empirische Befunde zu Filterblasen und Echokammern. https://www.researchgate.net/profile/Melanie-Magin/publication/337316528_Masslos_uberschatzt_Ein_Uberblick_uber_theoretische_Annahmen_und_empirische_Befunde_zu_Filterblasen_und_Echokammern/links/5dd16faa4585156b351bb30a/Masslos-ueberschaetzt-Ein-Ueberblick-ueber-theoretische-Annahmen-und-empirische-Befunde-zu-Filterblasen-und-Echokammern.pdf [Zugriff 25.02.2021], S. 5ff

(14) Geissert, Clemens (2019): Filterblasen und Echokammern im Social Web. https://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/Texte/Geissert-19.pdf [Zugriff 25.02.2021], S.16

(15) Stark, Birgit/ Magin, Melanie/ Jürgens, Pascal (2019): Maßlos überschätzt. Ein Überblick über theoretische Annahmen und empirische Befunde zu Filterblasen und Echokammern. https://www.researchgate.net/profile/Melanie-Magin/publication/337316528_Masslos_uberschatzt_Ein_Uberblick_uber_theoretische_Annahmen_und_empirische_Befunde_zu_Filterblasen_und_Echokammern/links/5dd16faa4585156b351bb30a/Masslos-ueberschaetzt-Ein-Ueberblick-ueber-theoretische-Annahmen-und-empirische-Befunde-zu-Filterblasen-und-Echokammern.pdf [Zugriff 25.02.2021], S. 10f

(16) https://www.diskutiermitmir.de/#/about-us